Keine Angst vor einem Streit – konstruktives Streiten
Kannst Du Dich auch noch an diese Aussagen Deiner Eltern oder Lehrer:innen erinnern: „Hört auf zu streiten, vertragt Euch wieder!“. Solche Sätze prägen uns und werden quasi zu Glaubenssätzen, die uns ein Leben lang begleiten. Aber ist Streiten denn wirklich so schlimm? Es kommt darauf an – würde ich als Juristin dazu sagen. Destruktives Streiten, ohne die Lösung des Konflikts, sondern vielmehr die Verletzung unseres gegenüber zum Ziel zu haben, ist wenig zielführend und führt auf Dauer zur Zermürbung. Du kannst aber auch konstruktiv streiten. Der Ansatz des konstruktiven Streitens geht von Folgendem aus: Streiten ist erlaubt und auch wichtig in Beziehungen. Es ist nahezu unmöglich immer einer Meinung zu sein. Frei nach dem Motto: „Gemeinsamkeiten bringen einen zusammen – Unterschiede lassen einen wachsen“. Entscheiden ist dabei, wertschätzend – ohne Verletzungen – ein gemeinsames Ziel vor Augen zu behalten. Hier ein paar Tipps, wie das hoffentlich zukünftig gelingen kann:
Rahmenbedingungen schaffen
Wenn Dir ein Thema auf der Seele brennt und Du mit Deiner Partnerin/Deinem Partner ein heikles Thema ansprechen möchtest, überfall sie oder ihn nicht. Finde einen geeigneten Zeitpunkt und Ort für ein Gespräch und behalte dabei u.a. folgende Dinge im Blick: habt Ihr beide grad ausreichend Zeit und geistige Kapazität für ein Gespräch? Habe ihr beide genug getrunken und gegessen? (aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sich mit gefülltem Bauch viel entspannter streiten lässt…). Wo könnte ein solches Gespräch stattfinden? Wenn Du diese Dinge aus den Augen lässt, ist es recht unwahrscheinlich, dass Du das bekommst, was Du Dir mit diesem Gespräch erhoffst. Schaffe also konkret einen guten Rahmen für ein solches Gespräch.
Beim Thema bleiben
Wenn also die Situation passt, öffne den Raum für ein Gespräch. Vielleicht gibt es mehrere Punkte, über die Du gern sprechen möchtet? Überleg vorher für Dich, ob hinter diesen Themen vielleicht ein Oberthema steht. Ärgert Dich, dass Deine Partnerin regelmäßig unpünktlich ist? Den Mülleimer nicht mit runternimmt, obwohl sie diese Woche dafür zuständig ist? Dein Partner nicht wie versprochen frisches Brot vom Bäcker mitgebracht hat, obwohl Du ihn am Morgen noch darum gebeten hast? Dann könntest Du natürlich einzeln über all diese Punkte sprechen – aber was steht wirklich dahinter? Ist Dein Oberthema vielleicht, dass Deine Partnerin/Dein Partner Vereinbarungen nicht einzuhalten scheint und Du unter ihrer/seiner Unzuverlässigkeit leidest, weil Du Deine Bedürfnisse nicht ernst genommen fühlst?
Mach daher deutlich, worum es Dir bei diesem Gespräch geht. Versuch dabei konkret zu sagen, was Dein persönliches Anliegen gerade ist. Warum möchtest Du gerade jetzt sprechen?
Den Konflikt konstruktiv austragen
Nicht selten kommt es trotz aller Abklärung im Vorfeld dazu, dass sich die Situation anders entwickelt. Es werden z.B. alte Geschichten wieder aufgewärmt und Ihr fallt wieder in alte Rollenmuster, es kommt zu Verletzungen etc. Dann kann nicht mehr konstruktiv an einer Lösung gearbeitet werden.
Was tun?
Legt eine Pause ein: Wenn Ihr nicht mehr konstruktiv auf dem Weg seid, legt eine Pause ein. Gebt Euch eine Auszeit. Vielleicht geht einer von Euch in einen anderen Raum oder Ihr geht getrennt spazieren? Geht aber nicht einfach so auseinander. Stellt klar, dass Abstand jetzt besser wäre. Wann und wie wollt Ihr weitersprechen? Nutzt die Gelegenheit für eine kurze Atempause: Schließt die Augen und bringt die Aufmerksamkeit auf Euren Atem. Legt dafür Eure Hände auf die Brust und spürt bewusst Euren Atem. Lasst die Emotionen los und kommt zur Ruhe.
Bleibt auch im Streit in Kontakt: Bitte bedenkt, Ihr streitet miteinander nicht gegeneinander: Es geht nicht darum, dass einer von Euch „als Gewinner“ aus dem Streit herausgeht oder der eine Recht und die andere Unrecht hat. Es geht doch vielmehr darum, eine Verbindung zwischen Euch zu schaffen, um eine Differenz zu überwinden. Behaltet das im Auge und versucht daher Aggressionen und Vorwürfe zu vermeiden – das sind Verhaltensmuster, die den anderen verletzen und das führt wieder zu neuen Verletzungen („hurt people hurt people“). Bleibt in Kontakt und schafft keine emotionale Trennung im Streit. Macht Euch immer wieder klar, dass Ihr auf derselben Seite steht. Ihr arbeitet gegen das Problem und für die Lösung, damit es Euch beiden in der Beziehung gut geht.
Verantwortung übernehmen
Wenn ihr in Konfliktgesprächen genau das gleich Verhalten wie bisher an den Tag legt, werdet Ihr genau das gleiche Ergebnis bekommen wie bisher. Daher fang an, für Dein Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Bedenke, Du allein bist für Deine Reaktionen verantwortlich. Kein Verhalten Deines gegenüber rechtfertigt, dass Du Dich destruktiv verhältst. Das ist keine Rechtfertigung – nur eine Ausrede. Mach also etwas anders als sonst: vermeide Verallgemeinerungen, bleib beim Thema, sprich von Dir, bleib leise und werde nicht laut, wenn Du was nicht verstehst – frag nach, verzichte auf Interpretationen … Das volle Programm. Nur mit anderem Verhalten, wirst Du andere Ergebnisse erzielen.
Gern unterstütze ich Euch im Rahmen meiner Konfliktberatung bei der Vorbereitung und Durchführung eines klärenden Gesprächs!